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Grußwort

Ein Poesiefestival im späten Frühjahr, das ist auch die Hoffnung auf kleine Fluchten. Ob Gedichte sich zum Eskapismus eignen, kann zwar bezweifelt werden. Aber als Sprachkunstwerke auf kleinstem Raum verbinden sich in ihnen sinnliche mit intellektuellen Qualitäten, die sie am eindrücklichsten bei einer Lesung entfalten. Kommt auf der Bühne noch ein angeregtes Gespräch hinzu, erschließt sich der Kosmos des Gedichts noch einmal anders. Und das an schönen Orten und mit Menschen, die in der Lyrik etwas finden, das keine Kunstform sonst bietet: das Zusammenspiel aus Klang, Rhythmus und starken Bildern, welches das Denken in Bewegung hält.

Das Programm der Lyriktage Frankfurt, die immer im Wechsel zum Prosafestival literaTurm stattfinden, bietet einen Überblick über bedeutende Gedichtbände aus den vergangenen zwei Jahren. In ihnen spiegelt sich Gegenwart, sei es die von Dichterinnen und Dichtern, die im Exil leben oder aus Ländern stammen, in denen der Krieg in der Ukraine viel näher ist als hier in Deutschland. Mit Kim Hyesoon aus Südkorea und Rachel Zucker aus den USA kommen zwei große internationale Stimmen an den Main. Für Jugendliche wird erstmals eine Schreibwerkstatt angeboten und der Lyriker Martin Piekar hat fünf Debüts ausgesucht, die er an einem Abend vorstellt. Ich danke von Herzen allen Mitwirkenden und Kooperationspartnern und wünsche dem Publikum eine wunderbare Woche voller Poesie in unserem schönen Frankfurt.

Dr. Ina Hartwig
Kultur- und Wissenschaftsdezernentin der Stadt Frankfurt am Main

Gedichte als Zeitgenossen.
Zu den Lyriktagen Frankfurt 2025

„Worte in Bewegung! Worte festgezurrt an ihrem Platz“, so Monika Rinck in einem Vers über die Poetik des Gedichts. Gute Gedichte sind immer beides zugleich, Dynamik und Konzentration, und darin irritierend, provozierend, vor allem aber beglückend. Nie wissen wir, was uns erwartet. Ist ein neuer Band gut, nistet er sich ein und schärft die Wahrnehmung. Lyrik ist sinnliches Denken.

Bei der Auswahl der in diesem Jahr vorgestellten Gedichtbände konnten wir aus der schieren Fülle schöpfen. Die Zahl an großartigen Neuerscheinungen ist überwältigend und auch jüngere Stimmen führen den poetischen Diskurs auf hohem Niveau fort. Die Lyrik blüht, in liebevoll edierten Bänden und geschätzt von einer aktiven Szene. Sie auch jenseits ausgetretener Pfade zu entdecken, war uns ein Anliegen. Im Fokus des diesjährigen Programms steht die Zeitgenossenschaft von Lyrik. In den Tandemlesungen geht es im Wesentlichen um drängende Themen unserer Tage: um die Zerstörung unserer Umwelt, Kriege und autoritäre Regime, aber auch um Queerness und Feminismus, die Liebe und den Zyklus des Lebens von der Geburt bis zum Tod. Das Langgedicht als avancierte Form wird verhandelt und das Musikalische im Gedicht. Die Lyriktage Frankfurt sind in diesem Jahr zudem so vielsprachig wie noch nie. Persönliche Erfahrungen mit Diktatur, Flucht und Asyl verleihen den vorgestellten Gedichten eine existenzielle Wucht. Den Abschluss bildet die lange Nacht der Lyrik – eine gute Tradition seit den ersten Lyriktagen im Jahr 2007.

Wir wünschen Ihnen anregende Begegnungen und Gespräche bei den Lyriktagen Frankfurt 2025.

Dr. Sonja Vandenrath
Festival- und Programmleitung